Wie Informationsarchitektur zu Lean UX beiträgt

Wer eine User Experience und dazugehörige Software entwickelt und gestaltet, gestaltet damit ganze Systeme und sollte dabei Informationsarchitektur nicht außen vor lassen. Denn: Innerhalb dieser Systeme gilt es Komponenten zu etablieren, die die relevanten Informationen transportieren. Geschieht das ohne Konzept und in entsprechendem Umfang, entsteht Chaos – in jedem Falle aber entsteht ein komplexes Geflecht an Elementen, die sinnvoll miteinander in Beziehung gesetzt werden müssen.

Warum Wissen organisieren?

Indem man Informationen systematisch ordnet, gibt man ihnen einen Ort und einen Kontext, zu dem sie gehören. Ein solches Vorgehen ist tief im Menschen verankert: Unterschiedliche Dinge gehören an unterschiedliche Plätze, im besten Fall nach einem Schema, das uns vertraut ist. Das Gewürzregal zuhause hat eine interne Ordnung, der Pfeffer steht immer am selben Ort. Und im Gewürzregal findet man normalerweise keine Bücher. Das erleichtert nicht nur das Wiederfinden, sondern auch das Verstehen von Informationen. Was für die reale Welt gilt, gilt auch für digitale Systeme.

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Was ist eine Informationsarchitektur?

Rosenfeld, Morville und Arango (2015) schlagen eine mehrteilige Definition vor. Informationsarchitektur ist:

  • das strukturelle Design einer geteilten Informationsumgebung
  • die Synthese aus Organisations-, Labeling-, Such- und Navigationssystemen innerhalb physischer, digitaler und cross-medialer Ökosysteme
  • die Kunst und Wissenschaft Informationsprodukte und -erfahrungen so zu gestalten, dass sie Usability, Auffindbarkeit und Verständnis erleichtern

Dabei heben sie außerdem drei Aspekte hervor, die man nie aus den Augen verlieren sollte: die Nutzenden, die eigenen Inhalte und den Kontext, für den man z. B. eine Website erstellt.

Lean UX

Auf Lean UX wollen wir an dieser Stelle nicht so detailliert eingehen, mehr dazu findet man z. B. hier. Nur noch einmal ganz knapp: Lean UX vereint Ansätze des Agile Development, menschzentrierter Gestaltung, Design Thinking und Lean Start Up.

Informationsarchitektur designen

Im Optimalfall assoziieren wir mit verschiedenen digitalen Artefakten ganz klare Aktivitäten. Ein Piktogramm von einem Haus weist uns, durch Erfahrungswissen, meist auf eine Homepage oder Startseite hin. In einer Website findet man z. B. die Informationen über das Team, das dort arbeitet, hoffentlich jedes mal am selben Platz, wenn man die Website besucht. Die Informationsarchitektur hat sich hoffentlich nicht radikal verändert. Eine solche Architektur definiert semantische Elemente für die Nutzer. Überschriften beinhalten dann einen Themenbereich, so wie ein Stockwerk eines Hauses. Indem die Strukturen für alle vorliegenden Informationen wie die Architektur eines Hauses mit Plan und Hintergedanken angelegt werden, erlauben sie ein sinnvolles Maß an Flexibilität. Manche Dinge, wie die Inhalte, können ganz leicht und schnell geändert werden und wieder andere werden in Ruhe gelassen, z. B. die URL. Ein Haus bleibt schließlich meist auch an einem Platz.

Deshalb nehmen gute Informationsarchitekten wie auch Lean UX Professionals vor allem eine Personengruppe in den Blick: die späteren Nutzenden! Vom Design Thinking und menschzentrierter Gestaltung ausgehend gilt die Maxime: Wenn’s den Usern nicht nützt, hilft es uns auch nicht weiter. Dabei muss ein User nicht ein unwissender Endkonsument sein, es können auch Mitarbeitende eines Unternehmens sein, für die ein Intranet gestaltet wird.

Die Brücke zwischen UX und Software-Funktionalitäten

Es mag nicht überraschen, aber Ansätze aus dem Design sind für die Entwicklung und Gestaltung einer Informationsarchitektur sehr hilfreich. Zunächst gilt es, den Use Case zu verstehen, für den ein System gebaut werden soll. Auf Basis eines initialen Verständnisses kann dann eine Designhypothese gebildet werden, die als Arbeitsgrundlage dient. Dabei kann es sich um eine erste Festlegung für die spätere Ausspielung der Informationen oder ein thematisches Clustering handeln. Hier findet sich auch ein erster klarer Verweis zu Lean UX wieder: schnelles Einsteigen in die praktische Arbeit, um auf Basis der dabei gemachten Erfahrungen Verbesserungen iterativ einzuarbeiten.

Labels einer Informationsarchitektur

Letztlich ist unsere ganze Sprache ist eine Sammlung an Labels. Was meint der Begriff aber in diesem Kontext? Labels sind eine Form von Repräsentation, ein Begriff der für mehr als nur den Begriff steht. Labels sind für Software oder Websites so wichtig und herausfordernd, weil in der schriftlichen Kommunikation kein sofortiges Feedback durch z. B. Mimik vorliegt. Das erschwert die Kommunikation und steigert die Wichtigkeit präziser Labels nur noch mehr.

Solche Labels findet man in unterschiedlichen Formen an unterschiedlichen Stellen. Als erstes kommen wohl Überschriften in den Sinn. Die beschreiben eine größere Menge an Informationen, die dazu gehören. Außerdem erschaffen sie einen Überblick. Aber auch gängige Navigationssysteme zählen zu Labels, wie eine Menü-Bar. Wenn man auf einer Website auf „Home“ klickt, landet man meist am metaphorischen Eingang der Website. Hier erwarten den User gewisse Informationen, mit denen er womöglich auf Basis eigener Erfahrungen gerechnet hat. Der Design Thinking Gedanke an dieser Stelle wäre: Welche Form von (lexikalischer) Darstellung, ist für den User eindeutig und verständlich? Labels sind wie Abkürzungen, hinter denen mehr steckt. Wenn User also ein Label falsch interpretieren, hat das Folgen für alle Inhalte, die sich hinter diesem befinden.

Daher sollte die Relevanz dieser Labels nicht unterschätzt werden. Rosenfeld, Morville und Arango (2015) bezeichnen sie in ihrem viel beachteten Buch zum Thema Informationsarchitektur als „perhaps the most important part of information architecture design“. Außerdem legen sie Wert darauf, diese Labels auch als ein eigenes System zu sehen. Sie stehen nicht isoliert, sondern in Beziehung zu den andern.

Labels finden und festlegen

Wenn diese Labels so wichtig sind, sollte sie nicht eine Person willkürlich festlegen. Sie dienen schließlich auch zur Repräsentation und werden öffentlich sowie intern zu wichtigen Begriffen. Es lohnt also ungemein, wenn dieser Prozess interdisziplinär angegangen wird. Möglichst viele betroffene Personengruppen sollten vertreten sein, d. h. das Management, Marketing & Vertrieb, Design, IT, Produktentwicklung etc. Warum? Weil sie ein Modell repräsentieren, mit dem alle fortan arbeiten wollen oder müssen. Dadurch haben alle Beteiligten die Möglichkeit, das Modell auch zu erweitern, bei entsprechender Konsistenz. Dementsprechend sollten im besten Falle alle mit ihnen zufrieden sein. Es nützt nichts, wenn die IT einen Begriff für besonders treffend hält, die Marketing-Abteilung sich aber sicher ist, dass der sich schlecht verkaufen lässt.

Die Labels sind wie die Atome des Systems und an bzw. mit ihnen lässt sich eine gesetzte Designhypothese testen. Finden sich keine sinnvollen Labels, dann braucht es womöglich eine andere Hypothese.

Labels auf mehreren Ebenen

Eine Informationsarchitektur, mit all ihren Bestandteilen, kann sogar zu einer produktiveren Zusammenarbeit zwischen z. B. UX-Akteuren und Softwarearchitekten führen. Warum?

Die eben erwähnten Labels sind hauptsächlich solche, die am Ende auch von Usern wahrgenommen werden. Hinter einer Informationsarchitektur mag allerdings noch eine Software-Architektur stecken oder ein Wissensmodell für die jeweilige Branche. Im Optimalfall sind die Labels so gut gewählt, dass diese beiden Architekturebenen möglichst kohärent sind, denn das verbessert wiederum die finale Qualität des Produktes. Das wird Teams leichter fallen, die an interdisziplinäre Arbeit gewöhnt sind. Auch hier kommen wieder Vorzüge von Lean UX zum tragen: kurze Wege, schnelle Absprachen und ein Wille zum Ausprobieren bringen den zugegeben kleinteiligen Prozess des Label-Kreierens voran und man bleibt nicht stecken. Wir bei Studio Fluffy sind durch unser eigenes Arbeiten und die erfolgreiche Umsetzung dieses Vorgehens mit unseren Partnern überzeugt, dass ein interdisziplinärer Ansatz, der schnell ins Machen kommt einen produktiven Weg zu moderner Software und tiefgreifend nützlicher Informationsarchitektur führt.

Ordnung erlaubt Dynamik

Es mag im ersten Moment paradox klingen, aber beim genaueren Nachdenken ergibt es viel Sinn. Erst, wenn Dinge einen sinnvollen Platz haben, sinnvolle Nachbarn haben, wird es wirklich leicht, darüber nachzudenken. Aus gut sortierten Schlüsseln puzzelt es sich leichter! Wenn man also seine Informationen gut sortiert hat, das Wissen so angeordnet, dass es keine Verwirrung mehr erzeugt, schafft man Raum für neues Denken, für kreative Prozesse oder einfach nur leichtere Handhabung eines Systems.

Für digitale Kontexte heißt das z. B., Hyperlinks sind ein Mehrwert, kein Hindernis. Vertikale Sprünge durch ein System, vorbei an Hierarchien, verwirren die Nutzer nicht, sondern verbessern die Nutzererfahrung. Würde die grundlegende Ordnung nicht bestehen, würden sich User schlichtweg verlaufen – und damit die Website oder Software verlassen.

Informationsarchitektur: Mehr als nur Ordnung

Mit einer gut ausgearbeiteten Informationsarchitektur und Software-Architektur erreicht man allerdings viel mehr, als bloß Dynamik. Klar definierte Begriffe, die User dann mit einem Unternehmen oder einer Organisation assoziieren, stärken die Marke und sorgen dafür, das schon kleine Unterschiede einen von Wettbewerbern abheben. Solche Wiedererkennungswerte verbessern die Kundenbindung und sichern die Stellung. Den so gebundenen Kunden kann eine bessere User Experience geboten werden, da eigene Inhalte besser organisiert und auf die Bedürfnisse der Nutzenden zugeschnitten werden können.

Um nochmal die Brücke zu Lean UX zu schlagen: Auch wenn die Ausarbeitung einer Informationsinfrastruktur anfangs viel Arbeit macht, erlaubt es langfristig ein „schmaleres“, effizienteres Arbeiten an großen Projekten mit einer Fülle von Informationen. Aufwand, der also belohnt wird. Die Schlankheit eines Systems, an der Oberfläche und „unter der Haube“ ermöglicht höhere Modularität und die wiederum ist in den dynamischen Prozessen des 21. Jahrhunderts unersetzlich, um auf Marktveränderungen und Innovationen flexibel reagieren zu können. Wer sein Wissen und seine Informationen gut organisiert, kann selbst leichter damit arbeiten und ermöglicht seinen Usern dasselbe. Wie eingangs erwähnt, kommt es auf drei Aspekte an: Nutzende, Inhalte und den Kontext.

Rosenfeld, L.; Morville, P.; Arango, J. (2015) . „Information Architecture: For the Web and beyond“. O’Reilly.

Ihr Ansprechpartner

Sierk Schmalzriedt

Geschäftsführer
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